Abgeschaut: Kurt Tucholsky (1890-1935) – »Ersterbendes Gemurmel«

Allherbstlich,
wenn die braunen Blätter fallen,
fällt auch dem Dichter dies und jenes ein.
Er sieht, wie Wolken sich zusammenballen,
er hört der Völker wilde Streiterein …
Der deutsche Dichter kratzt sich an den Waden
und fängt sich still den letzten Sommerfloh;
und denkt: du könntst dich auch mal wieder baden
und überhaupt und so …

Ich bin ein Preuße. Pfui auf die Verneinung!
Ich lob die positive Position.
Und ich besitz das Recht der freien Meinung
in Wort und Bild und auch im Grammophon.
Ich sage, was ich will, und sag es feste,
am Stammtisch sag ichs und im Wahlbüro.
Stolz sag ichs und mit einer weiten Geste:
» … und überhaupt und so …«

Ich wohnte schon in vielen, vielen Zimmern,
am Meer, in Bukarest, in Großenhain;
und immer hört ich eine Jöhre wimmern,
ein Schreihals muß in jeder Straße sein.
Dann mach ich mir so allerhand Gedanken,
zum Beispiel über unsern Reventlow –
Die kleinen Kinder haut man auf den blanken
und überhaupt und so …

| aus: Tucholsky, Kurt: Gesammelte Werke. Bd. 1 1907 -1918, Rowohlt, 1993. S. 565. – zuerst in: Die Weltbühne, 26.09.2018, Nr. 39, S. 297. (Als Theobald Tiger)

Verkaufsgespräch

Der Weg zur Arbeit bringt ab und an überraschende Begegnungen. Eine Gruppe von vier Kindern, drei Mädels und ein Junge zeigt einen bemerkenswerten Geschäftssinn. In der Erfurter Krämpfervorstadt finden sie ein Gemälde. Eine nackte Dame vor gelbem Hintergrund. Nach einer kurzen Diskussion scheinen sie sich geeinigt zu haben. Sie werden ihren Fund zu Geld machen. Der Zufall macht mich zu ihrem ersten Kunden. Eine junge Verkäuferin beginnt das Verkaufsgespräch: „Stopp. Wir haben hier was.“ „Ah schön.“ „Wieviel Geld hast du dabei?“ „Hm, genug denke ich.“ „Wir haben hier was. Schauen sie mal. Gefällt ihnen bestimmt nicht.“ „Hm, na ja.“ „Das macht 50 Euro.“ Der jungen Verkäuferin wird ins Ohr geflüstert: „Du wolltest doch 5 sagen.“ „Ist ja gut, aber 50 ist mehr.“ Ich bemerke: „Das ist aber ganz schön viel.“ „Sie mögen das Bild nicht? Das ist echt gemalt. Mit Farbe original.“ „Okay. Das ist gut.“ Wieder der Berater: „Er findet es hässlich.“ „Magst du es nicht? Ist es hässlich?“ „Ja, eigentlich schon.“ „Warum. Die Frau ist doch schön.“ „Na ja. Sie ist sehr gelb.“ „Das ist weil, das Bild ist modern.“ Der Berater: „Gut dann fünf Euro.“ „Nein, das wollten wir doch nicht.“ „Nein, auch nicht.“ „Och man. Warum denn nicht.“ „Jetzt lass den Mann weiter.“ Erleichtert ziehe ich weiter: „Äh, danke.“

Künstler

„Schau, ich habe dich gemalt.“ „Diese alte Frau mit dem dicken Bauch, ein Tränensäcken, dem dünnen Haar und unmodischen Kleidern hast du gut eingefangen. Du bist ein echter Künstler. Wo ist das Bild von mir?“ „Ja…“