Abgeschaut – Georg Trakl: »Grodek«

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder

Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen

Und blauen Seen, darüber die Sonne

Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht

Sterbende Krieger, die wilde Klage

Ihrer zerbrochenen Münder.

Doch stille sammelt im Weidengrund

Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt

Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle;

Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.

Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen

Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,

Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;

Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.

O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre

Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,

Die ungebornen Enkel.

| Zitiert nach: Trakl, Georg: Das dichterische Werk. München 1972. S. 94-95.

| Digitalisat auf Zeno.org

Warteraum

Im Sessel sitzt

Die Maske auf

Die Zeit vergeht im Dauerlauf

Im Buch du liest

Von Wem der schiesst

Und Blut am Straßenrand vergiest

Die Hand zur Faust

Noch hältst du aus

Auch wenn du grimmig umherschaust

Jetzt ist’s vorbei

Die Schießerei

Kann Starten und es regnet Blei

Dann wachst du auf

Und siehst die Tür

Herr Siebert bitte rein zu mir.

ABGESCHAUT – PAUL BOLDT (1885-1921) „WIR DICHTER“

Wie Einsamkeit das Ich im Auge dämmt.
Du ist nicht feil, und Du beginnt zu fehlen.
Geh durch die Menge, um Lächeln zu stehlen,
Verbrauche deine Küsse ungehemmt –:

Ein Schrei wärmt dir den Leib! Zu sehr allein.
Es gibt nur dies, unser Blut-Hoch und Ja,
Unsere Kunst, das Labsal anima!
Das Herz bewegt sich in das Wort herein.

Von den Stummheiten sollen wir aufbrechen!
Nicht nur anjahren in der Existenz.
Von Antlitzfrauen aufreizend umschwiegen

Werden wir jetzt, einmal und wenigstens,
Die Herzensröte an den Lippen kriegen.
Unseren Dialekt des Menschen sprechen.


|Erstmals erschienen in: Die Aktion.
Wochenschrift für Politik, Literatur, Kunst.
Jg. 4, 1914, Nr. 50/52, 24. Dezember, Sp. 939.

|Digitalisat: http://www.lyriktheorie.uni-wuppertal.de/lyriktheorie/scans/1914_boldt.pdf

Watte

Die STB erreicht Förtha. Einstieg: Eine jugendliche und eine weniger jugendliche Person. „Blutet Nase.“ „Ich sehs.“ „Ma ma Watte.“ „Hab keine bei.“ „Ma ma Watte!“ „Hab eben keine bei.“ Lautstark: „Ma ma Watte ey!“ Eine Dame reicht ein Taschentuch. Es ist still. Lautsprecher: „Nächster Halt Eisenach.“ „Wir sind falsch gefahrn.“ „Ma ma Tsabwäi.“