Ach du.
Welches Jahr hast du dir gewählt?
Ausgerechnet 2020. Das Jahr mit den Zwillingszahlen.
Das Jahr mit der Scheiße, die nach 19 benannt ist.
Weißt du, das war noch das Jahr mit deinem Dad und den Jungs in München.
Ich blöder Vogel wollte gar nicht. Und dann irgendwie Ärger im Hotel.
Alles vergessen. Olympiahalle. Bis an die Decke voll mit Leuten.
Die Vorband zwei Mädels mit Afro. Stimmung, die Luft stand.
Gin Tonic vom Bauchladen. Hier her, Garcon. Einen Shot für die Jungs.
Hier her! Und jetzt 2020. Immerhin Sommer. Aber 2020 und du machst dich auf den Weg.
Wunder oder was man sagen soll. Der Kopf wieder in Munich.
BAM BAM. Alles leuchtet. Pierre und Frank oder Peter and Dellé – wie man sie auch nennen will.
Stimme an. Beat an. Saxx an. Hände, Hüfte, Schwingung. Feiern, Garcon. Shot und so weiter.
Lachen, schwitzen. „Wonderful life“ mit dicker Baseline. „The sun in your eye
The heat is in your hair“ und das Mitzucken. Glaube mir, ich kann nicht tanzen.
Ich kann zucken, komische Moves machen vielleicht.
Bekleidet mit einem Mantel mich bewegen wie bei einem Anfall.
Aber hier zwischen den Leuten, weisst du – da gehört das dazu.
Den Kopf aus, Entspannung fürs Hirn. Die Mucke rein. Die Mucke sein.
Einfach fliessen lassen. Und nochmal der Garcon und ein Shot.
Und du nimmst dir 2020. Gerade das Jahr ohne das Alles.
Das Jahr mit den Zwillingszahlen. Aber weisst du was?
Du hast es richtig gemacht. Jetzt hast du die Kacke dann schon hinter dir.
Dad wirft die dir Platten auf den Technics. Jazzy Beats für dich.
Gute Vibes für dich. Und nochmal Munich mit den Vibes und Ticket und wir alle im
„Universal Roller-Coaster-Flow“. Glaub mir, auch dein Dad tanzt dann wie ein fröhlicher Elch.
Hoffentlich darfst du das bald sehen.
Ach du. Dieses Jahr 2020. Weisst du – egal wie Kacke es war. Du bist jetzt da.
Und da hat es sich ja doch gelohnt.
Kategorie: Blicke
Monday Night Stream #16, ACC Galerie
Liebe Leute,
kennt ihr das, wenn ihr einfach mal einen guten Abend habt mit einer Menge anderer Leute und dabei entsteht ein echt spannendes Projekt?
Die wunderbare Romina Nikolić lud in Zusammenarbeit mit der ACC Galerie/Weimar am 29.03.2021 zum Quick & Dirty Edition des Monday Night Streams 20 Autoren/Autorinnen. Jeder Beitragende hatte 3-4 Minuten Zeit für eine kleine/feine Lesung.
Schaut einfach mal rein:
Galla
Und schon wieder denkst du an Galla. Heinz Michael Galla, diesen großartigen Künstler, diesen am Ende seines Lebens redescheuen Mann. Dieser Name mal wieder im Kopf. Dann ist da auch gleich Aphroe. Und wieder die Frage ob von dem noch ein Album kommt. Aber Galla, der Galla – für dich RAG und KOPF-STEIN-PFLASTER. Dieses Album damals 98. RAG „Unter Tage“. Aphroe, Pahel, Mr. Wiz und Galla.
Jetzt hattest du auch Helden. Eine eigene Musikrichtung. Jetzt warst du einer von diesen harten Jungs. Oder besser einer von den Jungs, die so lange hart waren, so lange sie harten Jungs zuhören konnten. Das gab es auf deinem Dorfgymnasium nicht. Da hörte man die Ärzte, die Böhsen Onkelz oder Madonna, die mit Frozen ihren 5 Frühling hatte.
Klar – die Rapmusik gab es. Aber die war aus den Staaten oder witzig. Das Deutsche war dir alles zu bequem. HipHop durfte nicht witzig sein wie bei den Beginnern. Rap sollte über das echte Leben sprechen. Rap sollte hart sein. Das Leben auf der Straße, das wolltest du hören.
Und bei den Amis konntest du immer nur mitnuscheln. Und überhaupt die Amis. Da musste man echt aufpassen. Nur nicht den Falschen erzählen, dass man Black Eyed Peas oder Xzibit hört. Sofort war man ein Sellout – ohne das man wusste, was das ist. Und dann stand man da auf dem Schulhof, die Baggy in den Kniekehlen, die Cap schräg auf dem Schädel und übte sich in Handzeichen. Eastcoast, Westcoast. Erst diese Worte gewechselt, dann konspirative Blicke. Reagierte da Jemand? Schüttelte jemand den Kopf?
Und dann kam RAG. Ruhrpott AG. Der Ruhrpott als die Bronx Deutschlands. Bochum, Dortmund, Essen waren hart und dreckig. KOPF-STEIN-PFLASTER. Endlich konntest du mitrappen. Alle Texte im Kopf und alle Hooklines auf der Zunge. An der Kasse im Norma dein Solo.
Endlich Vorbilder aus Deutschland, die es mit den Amis aufnehmen konnten. Helden für dich. Aphroe, Pahel, Mr. Wiz und Galla. Heinz Michael Galla, diesen großartigen Künstler, diesem am Ende seines Lebens so redescheuen Mann.
Die Einsamkeit des Reiseleiters
In einem Bus sitzen die 41 Gesichter abgezählt
Würzburg mit Wein und Brücke
und du erzählst wie immer
im Halbschlaf die Zahlen und Namen
und wie immer einer in Reihe 8
der kann es dir besser erklären
er weiß es vom WDR
die Landpartie mit Landpomeranze
Reihe 8 dreht und wendet den Kopf
aber keine Aufmerksamkeit
dafür die rote Sonne von Barbados
und Würzburg im Regen
also wieder kein Trinkgeld heute
dafür drückt die Blase in Reihe 3
nach vier Minuten Autobahn
jetzt noch schnell den Schenkelklopfer
und die Damen stoßen mit Sekt an
schrilles Kichern über das Späßchen
dann ist endlich Ruhe
nur bei den Flippers
scheint immer noch diese Scheißsonne
Ein Flow
Blick in den Hinterhof
Ein leiernder Beat
Im Kopf den Mond
Der soll in den Text
Kommt nicht raus
Suchst nach Dopamin
Das macht sich rar
Die wenigen beleuchteten Fenster
Dahinter beheizte Räume
Boom Bap
lass es laufen
Bleibst beim Beat
Der leiert den Stift über Papier
Braucht kein Dopamin
Bleibt am Schreiben
Ohne die Fenster
Fließt der Stift
Und du hältst ihn einfach
Flow aus Beat leiert
Boom ein Satz
Bap ein Text
Lass den Mond aus
Den braucht es nicht
Das Bild eh von gestern
Hinterhof sagt
Boom
Welchen Flow es braucht
Um Bap den Text
aus den Stift auf Papier
auf den Beat zu leiern
Pix – Streetart in Erfurt – Die Halle
Schon seit Beginn der Coronapandemie führte mich mein Weg durch die Stadt regelmäßig an der Sporthalle in der Halleschen Straße vorbei und ständig hat die Halle ein neues Aussehen. Immer wieder verewigen Graffitiartists sich hier an den Wänden. Ein paar der neuesten Pieces habe ich mal aufgenommen. Klickt euch einfach durch.
Aber es gibt noch viel mehr Tags und Streetart in der Stadt. In unregelmäßigen Abständen möchte ich neue Tags und Pieces presenten.
Mir lieb nicht, Richtplatz
I
Am Hanseplatz stehst du
machst dir Tradition
das Steinkreuz Erinnerung an Großes
hier war ein Richtplatz, fragst mich
ob ich „Der Richtplatz“ von Aitmatow gelesen
du bist, sagst du, einer der Wölfe
machst Jagd, Nase im Wind
erinnerst die Menschen, Tradition
kein Pelz für Schafe
du Wolf machst Richtplatz
gegen mich und Vieles
gegen mich und Viele
II
mir wird kalt
ohne den Pelz
und will kaufen
bin eben Schaf
da trottest an meine Seite
Pause am Richtplatz
das sollen jetzt auch Andere
ein Wolf ist nie allein
und wenn der Alpha geht
kommt ein Neuer
so ist es Tradition
Mond
du willst tanzen auf dem Mond
tanzen auf dem Mond
kalt hier und kein Licht
willst sein ein Wirbel
Pirouetten auf dem Mond
das Licht willst du sein
für die Krater
Hertzsprung
willst sein wie der Mond
und kalt an meinen Händen
Der Schnee im Hinterhof
Da liegt er flächendeckend
in die Dämmerung gegeben
der Kopf vermischt die Farben
Grau und Weiß und Backstein
Und man könnte denken
Was soll jetzt noch passieren
wenn schon der Schnee zurück ist
Aber auch damit ist es nicht weit her
von Worten und Zahlen verdeckt
ist da Nichts um das Gesicht zu schützen
Es bleiben dir die einzelnen Tauben,
der Kaffeeduft und ein Husten.
Abgeschaut – Johann Wolfgang von Goethe „Die Frösche“*
Sehr viel passender kann man die „Magie“ der Vorsätze für das neue Jahr kaum zusammenfassen.
Ein großer Teich war zugefroren;
Die Fröschlein, in der Tiefe verloren,
Durften nicht ferner quaken noch springen,
Versprachen sich aber, im halben Traum,
Fänden sie nur da oben Raum,
Wie Nachtigallen wollten sie singen.
Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz,
Nun ruderten sie und landeten stolz
Und saßen am Ufer weit und breit
Und quakten wie vor alter Zeit.
*Der Titel „Die Frösche“ ist eine spätere Zuschreibung. In der Werkausgabe letzter Hand von 1827 ist das Gedicht Abschnitt 10 unter den „Parabolischen Gedichten“.
|Zitiert nach: Goethe, Johann Wolfgang von: Werke 1, Gedichte, West-östlicher Divan. Insel Verlag 2007, S. 244.