ABGESCHAUT: Paul Verlaine (1844-1896) – »Sommer«

Der Sommer dehnt sich durch des Himmels weiße Glut,

ein Schattenkönig, der ein Urteil sieht vollstrecken.

Despotisch siehst du ihn die fahlen Arme recken,

der müde Landmann schläft und jede Arbeit ruht.

Die Lerche sang heute nicht, sie blieb bei ihrer Brut.

Nicht eine Wolke will ein wenig Blau verdecken,

und nicht ein Windhauch will ein leises Säuseln wecken.

Die Stille lastet schwer auf Wiese, Hain und Flut.

In dieser starren Ruh verstummen selbst die Grillen,

die Bäche fließen nur in schmalen, seichten Rillen,

ihr Kieselbett ist leer, und gelb das Ufermoos.

Im grünen Tümpel nur im Schatten jener Espen,

da schwirren glitzernd noch Libellen ruhelos,

und manchmal blitzen durch die Luft schwarzgelbe Wespen.


| aus: Zweig, Stefan (Hg.): Paul Verlaine. Gedichte. Eine Anthologie der besten Übertragungen. Berlin 1907. Übers. von Otto Hauser.

| Digitalisat unter: Projekt Gutenberg

Short Iii – Ufer

beobachtest den Streit der Spatzen

um ein ausgehöhltes Brötchen

trocken wie das Gras um dich herum

Es ist Juni, Sommer an der Spree

und hinter einem Baum wird ein Handy gefunden

verloren geglaubt, zitternd bereits die Follower

vor dem unwiederbringlichen Verlust

die Bürogebäude zerlaufen im Wasser

zu Mondrianschen Flächenspielen

Darüber touristisches Winken

und das grüßende Bier vom Ausflugsdampfer

Jeder der Spatzen trägt nun seinen Happen

und verlässt deine Szene

alles das wird untermalt vom Ruf des Blässhuhns

Du stimmst mit ein, erschreckte Follower fallen vom Baum

Regen im Bier

Ist etwas Trauriges, sagt er
Tritt unter den Schirm
Und zählt den Sommer an

Wenn es soweit ist,
Das weiß er, wird er den Bembel heben
Der Sonne zur Ehre
Dem Wirt zur Bestellung

ringsum.

Das waren
Die Löcher im Holz
Bei Sommerwind Insekten folgen
Ich denke, du kennst ihn noch
Der Baumstamm alt und zerfressen
Wurde hierhergebracht
Zum Klettern, zum Stürzen
Und wenn einer von uns fiel
Flog der andere hinterher
Immer als anderer Held
Standen wir denen gegenüber

Lass uns noch einmal klettern
Und lachen bis uns die Luft ausgeht
Vielleicht dreht sich der Boden wieder
Und dann eins zwei zehn
Wenn einer von uns fällt
Fliegt der andere hinterher
Stehen wir denen gegenüber
Die wissen nichts
Gar nichts

Fremde Kulturen.

Fremde Kulturen

Der Sommer schlägt wieder zu und den Passanten der Wind um die Münder. Die Schlange vor der Post am Anger durchtrennt viele Laufbahnen. Zwei Junge Männer in angepasster Bekleidung: „Alter, am Wochenende heißt es wieder Flucht.“ „Hä. Warum?“ „Isso, da ist die Gayschar wieder unterwegs?“ „Na und, juckt nicht. In Japan bezahlen die dafür, dass die kommt?“ „Was hat die Gasychar jetzt mit Japan zu tun?“ „Hä. Geishas sind doch japanische Prostituierte.“ „Du bist doch krank, Mann! Ich hab ja schon Vorurteile, aber du haust man wieder richtig auf die Kacke.“ Die Beiden nehmen ihr Zalando-Paket entgegen und verlassen die Post.