FRAGE FÜR EINEN FREUND #4 – mit Lukas Rietzschel und Mario Osterland — Novastation

FRAGE FÜR EINEN FREUND kehrt zurück. Am 24.6. um 19 Uhr begrüßt Moderator Mario Osterland den Schriftsteller Lukas Rietzschel im Werkstattgespräch. Sie sprechen über seinen Weg zur Literatur, den Debütroman „Mit der Faust in die Welt schlagen“ (Ullstein) und geben einen Ausblick auf den im Herbst erscheinenden Nachfolger „Raumfahrer“ (dtv). Außerdem wird der Bogen zu […]

FRAGE FÜR EINEN FREUND #4 – mit Lukas Rietzschel — Novastation

Meldet euch unter fragefuereinenfreund@gmx.de für das Zoommeeting an. „Frage für einen Freund“ ist kein steifes Interview, sondern ein Treffen von Literaturinteressierten mit Autoren. Mario Osterland führt als Moderator und Stichwortgeber durch den Abend, aber jeder darf und soll sich einbringen ins das Gespräch mit dem Gast.

Ich muss zugeben bisher noch kein Buch von Lukas Rietzschel gelesen zu haben und nutze die Gelegenheit um seine Literatur kennenzulernen. Eine kurze Rezension zu seinem Debut „Mit der Faust in die Welt schlagen“ folgt am kommenden Wochenende (19./20. Juni).

Die haben die Burg verkauft – Dialognotat

Das ältere Paar in der Regionalbahn Richtung Eisleben. Beide haben auf je einer Vierergarnitur Platz gefunden. Beide haben ihren Rollator so geklappt und vor sich geparkt, dass für einen weiteren Reisenden kein Platz wäre. Er, Typ genervter Patrick Stewart. Sie ist eher unscheinbar, faltet dafür mit viel Energie Kaubonbonpapiere zu moderner Kunst.

ER: Pass auf, die Tür bleibt wieder offen!
SIE: Ja, das werden die nie verstehen.
ER: (Laut zum nächsten Eintretenden) Drücken Sie mal die grüne Taste neben der Tür.
SIE: Da, an der Tür.
ER: Neben der Tür.
SIE: An der Tür. Es wird kalt.
ER: Neben der Tür da, das leuchtet doch.

Die Tür schließt sich.

ER: Pass auf, da kommt wieder einer.
SIE: (Zieht die Jacke enger um sich.) Dabei wurde es gerade warm.
ER: Pass auf, die Tür bleibt wieder offen!
SIE: Es wird kalt.

Die Tür öffnet sich und wird umgehend wieder geschlossen.

SIE: Ich habe Hunger.
ER: Ich nicht.
SIE: Die Stadt hat kein Geld mehr. Die haben die Wartburg verkauft.

Sie sucht am Fenster nach den Umrissen der Burg. Der Nebel verhindert die Sichtung.

ER: Da kommt wieder einer.
SIE: Kalt ist es.
ER: Heute Morgen war wieder kein Honig da.
SIE: Aber die Marmelade. Wie heißt die, die Echte?
ER: Konfitüre.
SIE: Ne, das meine ich nicht.
ER: Was sprichst du?
SIE: Ich spreche vom Essen.
ER: Ich spreche vom Frühstück.
SIE: Ich spreche vom Essen.
ER: Wie die Tomaten, die es noch so zu kaufen gibt.
SIE: So knochenhart.
ER: Die Schmecken nach nichts mehr.
SIE: Ne.
ER: Ich weiß nicht mehr, wie heißen die Tiere?

Sie macht eine beschreibende Handbewegung.

SIE: Tomaten.
ER: Ne, die bei Marksuhl da.
SIE: Ach Tiere. Ja. Lamas. Das sind Lamas.
ER: Alpakas.
SIE: Die machen doch immer so mit den Kindern rum. Im Kreis.
ER: Das sind doch nur zwei.
SIE: Da kann man auch im Kreis laufen.

Sie legt ein Kaupapierbonbonalpaka vor sich.

SIE: Da ist die Burg wieder. Wie immer wenn wir hier lang fahren.
ER: So was Dummes.
SIE: Jetzt kommt die Sonne raus.
ER: Ja, die blendet mich. Ich hab Hunger.
SIE: Ich nicht. Was ist das?
ER: Immelborn.
SIE: Immelborn. Guck dir mal die Wahnsinnsautos an.
ER: So viele braucht man nicht in Immelborn.
SIE: Ja.
ER: Das Grün überall und sie Sonne, die blendet so.

Der Zwischenstopp ist etwas länger. Eine Mutter mit ihren drei Kindern kommt durch die Tür.

SIE: Drücken sie mal auf die Taste neben der Tür.
ER: Neben der Tür da.

Die Tür schließt sich.

ER: Es blendet so.
SIE: Es ist kalt.
ER: Ja, ja waren die Lamas da?
SIE: Alpakas.
ER: Papperlapapp. Es hat geblendet.
SIE: Die Burg war wieder da.
E: So was Dummes.

Der Frosch – Eine Hälfte eines Gespräches

Tatort: Südthüringenbahn zwischen Meiningen und anderswo
Tatzeit: Anfang März, Samstag vormittag. Es ist kalt und ungemütlich.

Beim Betreten des Zuges liegt auf einer 4er-Sitzgruppe ein Handtuch quer über das Polster.
Daneben steht ein geöffneter Wander-Rucksack. Aus der Toilette des Schienenfahrzeuges ein Klingeln.
Der Besitzer des Polsterarrangements verlässt die Sanitärkabine und das Gespräch beginnt:

…ja mein Schatz! Ich bin gerade noch im Zug.
…im Zuhug. Nach heim.
…Eine halbe Stunde.
…Eine halbe Stunde noch.
…Sowieso alles scheißig hier. So bumsglatt. Hab mich erstmal auf den Arsch gepackt.
…Jetzt ist ein Handtuch untergelegt.
…Was lachst du’n da? Habe ich immer dabei.
…damit der Sitz nicht nass wird.
…Ja der wird doch sonst nass.
…Ne, das machen wir dann am Nachmittag.
…Du kannst ja schon mal unsere Straße machen.
…Doch in eher halben Stunde. Sonst macht eben Papa wieder alles allein.
…Ja Papa.
…Deswegen bist du doch meine Göttin. Küsschen.
…Die packst du in die Babysitzschale und den Skianzug und dann los.
…Klar kannst du, das sind zehn Minuten.
…Wenn nicht, dann ruf die Iris an. Die nimmt sie so lang. Die hat doch immer Zeit.
…Oder tu sie hoch zu der Krankenschwester.
…Zehn Minuten sind das. Mehr nicht.
…Dann eben fünfzehn.
…Ich hab ziemlich Hunger.
…Dann macht das eben der Papa.
…Deswegen bist du ja meine Göttin.
…Ich streichele auch deinen kleinen Frosch.
…Ja bis er glitschig ist.
…Wie machst es mit Baby?
…Zur Krankenschwester? Gut.
…Ja auch die Kaulquappe kommt.
…Zum Frosch.
…Zum Frohosch.
…Lieb dich Göttin.
…Nein dich.
…Den Frosch auch.
…Gleich. Jetzt mach die Straße.
…Papa kommt ja gleich. Halbe Stunde.
…Ja dich.
…Küsschen.