Passagen i. Stadt

Dort ist er gestorben, nichts als ein Kommentar zur Geschichte

Werner Söllner

Besoffen treiben im Rieth, im Brühl

Kopf hoch, Lichter am Hotel

Theater macht Nacht

steht da, macht dich Spiegeln im Glas

in den Gärten stille Gesichter blau

beleuchtet von 6,3 Zoll Persönlichkeit

lasst den Dichter doch laufen

Template mit Ortsnamen

spielt er den Lokalen

zeichnet auf, bezeichnet sich

kippt vor, kippt um, kippte zu Viel

lasst ihn liegen als Spur

lasst ihn liegen

er kannte es nicht anders

Durchgelesen: Frederic Schulz – »Eugen«

Was? Sie kennen Eugen nicht? Zugegeben – bis vor Kurzem ging es mir noch genauso. Aber so ist es eben – er war ein Weltstar, der keiner wurde.

Eugen Schnepple, der Früh-Unvollendete, hat in Heilbronn das Licht der Welt erblickt und wurde dabei zu lange kopfüber gehalten. Die Nachbarn wussten da konnte nichts Gutes bei rauskommen. Aber nur wenn man die Wette ohne Eugen macht.

Schon in jungen Jahren war klar, hier wächst ein besonderer Junge heran. Es zieht ihn auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Das Theater hat es ihm angetan. Da kann es kaum verwundern, dass er schon mit 10 die ersten gefeierten Vorstellungen auf dem Pausenhof gibt und kurze Zeit später zum Inventar des Theaters Heilbronn gehört. Mit Federboa und Knautschzylinder geschmückt tritt er den Lausejungen der Bleichstraße entgegen. Ein Eugen Schnepple weiß, wie man mit Feinden umzugehen hat!

Dann ist der große Tag da. Unser Eugen bekommt ein Rollenangebot und wieder ist ein Feind im Weg. Erst kümmert sich Eugen darum und dann geht es ab ins Berlin der Roaring Twenties. Mit Federboa und Knautschzylinder als Verrückter unter noch Verrückteren. Jetzt geht es erst richtig los. Schon im Zug macht er große Pläne mit einem Theaterschreiberling aus Augsburg. Kaum angekommen landet er in den Wirrungen von Politik und merkwürdigen Geheimgesellschaften. Aber auch am Theater und dieses Mal als richtig große Nummer.

Ach man muss ihn einfach lieben. Wenn uns Frederic Schulz hier einen Sonderling (Legenden besagen es könnte sich um seinen eigenen Urgroßonkel handeln.) präsentiert, dann einen besonders liebenswürdigen. »Eugen« ist die Autobiographie eines Früh-Unvollendeten in 13 Akten (Sic!). Mit viel Humor lässt er Eugen durch den Sündenpfuhl seiner Zeit treiben. In den besten Momenten funktioniert das in einer wunderbaren Situationskomik, in den Schwächeren kann es auch mal ein recht offensichtlicher Wortwitz sein.

Frederic Schulz, Mitglied der Erfurter „Aktionsgruppe Eskapismus“, stellt er uns mit »Eugen« eine Groteske über einen so naiven, wie zupackenden jungen Mann vor, der in seinem kurzen, intensiven Leben alles mitgenommen hat, was ihm seine Zeit bot. Selber Historiker, ließ es sich Schulz nicht nehmen die Großstadt der goldenen Zwanziger hier mit allen ihren Abgründen auf einen Charakter treffen zu lassen, der genauso fiebernd agiert.

Und so ist »Eugen« eine rauschhafte, lebensbejahende, aber auch tragische Debuterzählung, die Lust darauf macht, doch noch etwas mehr aus dieser Zeit zu lesen, die uns in der jetzigen Situation so komplett abhanden gekommen zu sein scheint. Perfekt funktionierender Eskapismus also.

| Frederic Schulz: Eugen. Proof Verlag, 2020. 158 Seiten.

Neunzig

Wie fahren mit der Linie 4 in Richtung des Flughafens. An der Haltestelle Theater: Auftritt eines älteren Herren. Schlank und aufrecht betritt er die Bahn, setzt sich auf den für ihn geräumten Platz. „Hach, wieder so ein Tag. Kennen sie?“ Die junge Frau nickt. „Ja, auch die Jungen schon. Immer so Tage. Na, nun bin ich schon 90 und habe keine Idee, wie ich das gemacht habe.“ Die junge Frau lächelt und nickt respektvoll. „Aber mir geht es gut und da lasse ich auch nicht dran rütteln.“ „Finde ich gut.“ „Ach, ich habe ja schon alles hinter mir.“ „Sie sind aber noch sehr fit.“ kommentiert die junge Dame. „Ach klar. Warum auch nicht.“ Sie nickt wieder, ergänzt: „Und sie lassen sich die Laune nicht verderben.“ „Woher denn. Ich habe alle Operationen schon gehabt. Auf meinem Bauch ist kein Platz mehr zum Aufschneiden, also kommt da nichts mehr.“ Beide Lachen. Er schwingt sich auf, verlässt mit einem Lächeln die Bahn.