Abgeschaut: Von Günderrode, Karoline (1780-1806) – »Die eine Klage«

»Die eine klage«

Wer die tiefste aller Wunden
Hat in Geist und Sinn empfunden
Bittrer Trennung Schmerz;
Wer geliebt was er verlohren,
Lassen muß was er erkohren,
Das geliebte Herz,

Der versteht in Lust die Thränen
Und der Liebe ewig Sehnen
Eins in Zwei zu sein,
Eins im Andern sich zu finden,
Daß der Zweiheit Gränzen schwinden
Und des Daseins Pein.

Wer so ganz in Herz und Sinnen
Konnt‘ ein Wesen liebgewinnen
O! den tröstet’s nicht
Daß für Freuden, die verlohren,
Neue werden neu gebohren:
Jene sind’s doch nicht.

Das geliebte, süße Leben,
Dieses Nehmen und dies Geben,
Wort und Sinn und Blick,
Dieses Suchen und dies Finden,
Dieses Denken und Empfinden
Giebt kein Gott zurück.

| aus: Von Günderrode, Karoline: Gesammelte Werke, Band 2. Berlin 1920–1922, S. 14-15.

Urlaub

in den großen Ferienorten
nehmen wir den Sand mit ins Herz
auf der Seebrücke die Arme nach Ost und West
sammeln Wolken hinter den Augen
dort regnet es in den Kopf
drückt heraus
und die Augen spielen großes Drama

Der Tag wird schon kommen.

Geboren sein, um vom eigenen Tod zu leben!

César Vallejo – Wenn man bedenkt

Stehe Tinte schwitzend

Greife in deine Augen

Ziehe das Herz aus deinem Leib

Packe dir dafür den Schmerz hinein

Halte durch!

Vielleicht erleichtert dich ein Lachen

Wenn ich stolpere beim Gehen.

Work it II – Ablagerung, Korrektur

Heute stelle ich die bearbeitete Variante des Textes unter dem Arbeitstitel »Ablagerung« vor. Durch eine rege Diskussion mit anderen Schreibenden konnte ich eine Anregungen gewinnen, manches verwerfen, anderes verstärken. Dennoch sind weiterhin einige Punkte nicht ganz optimal. Vor allem das Ende erscheint mir nicht zwingend genug und lässt den Text offener als beabsichtigt.

Diffundieren

Schlick quellt
durch die Zehen
weg vom Ufer
die morschen Bretter
Stege von gestern
am Schilfgürtel
der schnürt uns
den See zusammen

dir schlägt das Herz
die Kälte aus den Gliedern
die Trübungszone lässt
weiches Sinken zu