(Sehr) kurzer Versuch über das Wachbleiben

Die Zeit der langen Schatten

das Licht macht aus Bäumen

Haare und Strähnen dunkel

liegen sie auf dem Kupfer aus Laub

du fragst dich

ob Morticia Adams hier mit dem Kamm durchkäme

alles so lang und glatt

und dann ist es Nosferatu an den du denkst

wenn der Herbst auf Murnau macht

die Schatten lange Finger sind

Komme ihnen nicht zu nahe

Oder nimmst du dich besser in Acht

vor Peer Gynt

Verfängst sich sonst in seinen Träumen

Kupfer wird Gold in Fingern

und das lange dunkle Haare gehört der Königin

sie fährt mit euch, mit Peer und dir

durch die Wipfel, in das Licht

Schatten werdet lang ruft ihr

und sie schließen euer Reich hinter den Augen

Schläfst du?

Abgeschaut: Jakob vAn HoDDIS (1887-1942) – »AURORA«

Nach Hause stiefeln wir verstört und alt,
Die grelle, gelbe Nacht hat abgeblüht.
Wir sehn, wie über den Laternen, kalt
Und dunkelblau, der Himmel droht und glüht.

Nun winden sich die langen Straßen, schwer
Und fleckig, bald, im breiten Glanz der Tage.
Die kräftige Aurore bringt ihn her,
Mit dicken, rotgefrorenen Fingern, zage.


| aus: Niedermeyer, Max (Hg.): Lyrik des expressionistischen Jahrzehnts. Dtv 1970.

| Digitalisat unter: Projekt Gutenberg


Alte Liebe

An die Theke gelehnt, mit großen Gesten
erklärt er die Welt aus Schaum und Wellen
des Biers und Bewegungen im Kehlkopf

es ist wie beim Dart sagt er,
wer immer die Mitte trifft kommt voran
schafft es aber nie ans Ende
da bleibt dann das Quäntchen, die letzte Eins

dann prostet er der Luft zu, dem Automaten
aber den hat er sich abgewöhnt sagt er,
das ist dann so eine Sache von Glück und Statistik
und von Glück verstehe er was

er finde das ist wie bei Daumen erzählt er dem neuen Glas
wenn man die so anguckt, sind die doch auch nicht besonders
wer sagt schon „Du schlimmer Daumen!“ und wo zwei sind
da ist eh einer zu viel hat er von seiner Frau gelernt

er verneigt sich und geht
das Publikum ist ausgetrunken
morgen kommt er wieder
und er weiß schon wen er trifft